Blick Ins Buch

Liebe Leserinnen und Leser ...

Sind Sie neugierig geworden? Möchten Sie einen kurzen Blick in eines meiner Bücher werfen? Diesen Wunsch erfülle ich Ihnen sehr gerne und habe deshalb je einen längeren Abschnitt meiner neusten E-Books ausgesucht. Die Abschnitte sind beliebig gewählt und sollen Ihnen den Buchinhalt näher bringen. Ich wünsche Ihnen viel Spass beim Lesen.

Hinweis: Die Darstellung der E-Books und der gedruckten Bücher variiert optisch von den ausgesuchten Abschnitten, wegen unterschiedlichen Formaten, Textprogrammen sowie den Schriftarten. Ich danke sehr für Ihr Verständnis!

Das Treffen in Ganton
Catalina's Spritztour

Carl's Comeback - Kapitel 3 - Scotch und Catalina - Abschnitt 8

Sieben Uhr Abends. Pünktlich lief elektrischer Strom duch die alten Leitungen und liess Blueberrys Strassenlaternen aufleuchten. Fahles Licht erhellte das rötliche Backsteingebäude, zwischen dem Well Stacked Pizzarestaurant sowie Pater Beaumonts kleiner Dorfkirche, die aber zum grössten Teil leer war, denn die Abendmesse würde erst um zirka sieben Uhr dreissig beginnen. Derart verlassen wie das Gotteshaus, so sah auch der Parkplatz vor dem Backsteingebäude aus, welches den Einwohnern von Blueberry als Polizeistation diente.

Ein fast schneeweisses Hinweisschild, am quadratischen Bau, wies darauf hin, dessen schwarze Helvetica-Buchstaben unter einer ordentlichen Schmutzschicht steckten. Dies fand jedoch niemand schlimm, in dem 700-Seelen-Dorf, weil Robert Stevenson seinen roten Toyota Corolla immer an dem Tag wusch, an dem er auch das Schild reinigte. Der Hilfssheriff machte das regelmässig (alle sechs Monate einmal) und erfüllte damit in den Augen der Dorfbevölkerung seine polizeiliche Pflicht. - Mehr wäre verdächtig gewesen und hätte zu Dorfklatsch Anlass gegeben.

Heute blieb Roberts Toyota das einzige Fahrzeug auf dem Parkplatz - Sheriff Rusk musste schon Feierabend gemacht haben. Entspannt lehnte sich Robert zurück, die Füsse abgestützt über der rechten Tischkante des Schreibtischs. Er las Zeitung und der Artikel im Los Santos Star beanspruchte seine gesamte Konzentration. Es ging um Lambrie Jackson, diesen Niggerstaatsanwalt, und darum, dass Lambrie irgendein Schuldgeständnis nicht anerkannte. Das Schuldgeständnis wäre blanker Hohn, sagte Lambrie darin aus. Axl Rose und das Radio störten sein Lesen, als Axl etwas zu laut von einer Himmelstüre plärrte, an die er anklopfte.

Knock, knock, knocking on heavens door. Feels like I'm knocking on heavens door. 

Robert war unentschlossen, ob er das Taiga-Radio leiser stellen sollte, da ihm der seitenfüllende Artikel langsam uninteressant vorkam. Gereizt hätte ihn eher sein Hochglanzmagazin, welches er sicher im Schreibtisch verstaut hatte. Doch seine Spätschicht war noch zu früh, für Daddy's and their little girls. Dazu würde er noch ein ganzes Weilchen warten müssen, bestimmt aber bis um Mitternacht, bis auch die letzten Bars geschlossen würden, und bis die letzten Betrunkenen nach Hause torkeln würden. Dann wären nämlich auch keine Schlägereien mehr zu erwarten, und keine streunenden Katzen, die zu hoch auf Bäume geklettert waren. Er liess das Magazin versteckt und die Lautstärke so wie sie war. Sollte Axl doch weiterplärren, verdammter Punk, Rose käme sowieso niemals zur echten Himmelstüre und der Zeitungswisch konnte stichwortartig überflogen werden, damit man einigermassen Bescheid wusste. Ausserdem erledigte sich jeglicher Papierkram (des letzten Monats) etwas leichter durch laute Musik.

Stevensons Vorhaben wurde jäh von einem sehr aggressiv brummenden Motor zerstört, der draussen anhielt. Das tiefe Mororgrummeln stammte nicht von Sheriff Rusk oder von Polly Cluts; Polly arbeitete als Teilzeitsekretärin in der Polizeistation. Dieses Tiefgrummeln verriet eine gehörige Anzahl PS und die Ankunft auswärtiger Besucher. 

Hastig zog Robert seine Beine vom Holztisch, faltete den Los Santos Star zusammen und legte die Sonntagsausgabe auf die Montagsausgabe, welche er bereits vorher gelesen hatte. Danach legte er mehrere Polizeiakten darüber und öffnete die oberste davon. Er reckte sich vor und drückte energisch den Abstellknopf des Radios. 

Augenblicklich verstummte Axl. 

Nun hörte er das Motorgrummeln deutlicher, er glaubte sogar Motorvibrationen wahrzunehmen. Neugierig wollte Robert zum vergitterten Fenster laufen und das Auto begutachten, doch sogleich öffnete jemand die Stationstüre und vier Leute traten herein, während draussen der Motor ausging.

Also sass er wieder hin und begutachtete stattdessen seine Besucher. Drei Männer und eine Frau. Zwei weisse Männer und ein schwarzer Mann. Der Schwarze glich einem Pilot, was Robert verwunderte. Zu elegant und geschmackvoll erschien ihm die Kleidung der anderen Besucher. Irgendwie ausländisch, ungewöhnlich, fremd. Zuerst vermutete Robert, dass sie wegen dem einbandagierten Arm des älteren Manns kamen und vielleicht ärztlichen Beistand brauchten. Solche Fälle konnten schon mal vorkommen, weil Doktor Treble abgelegen wohnte und ortsunkundige Leute den Weg zu seinem Haus erfragen mussten. 

Und tatsächlich richtete sich der ältere Mann an ihn. Sein väterliches Gesicht, sein fast weisser Schnurrbart und die grauweissen Haare erweckten den Eindruck einer ehrlichen Person, welcher man alles erzählen konnte, ohne dafür ein Messer in den Rücken zu kriegen.

"Guten Abend, Sheriff Rusk. Mein Name ist Scotchford, Inspektor Scotchford. Ich hoffe, wir stören keinerlei Ermittlungen, um diese Uhrzeit."

"Guten Abend, Inspektor. Robert Stenvenson - Hilfssehriff."

"Oh, Verzeihung, ich dachte ..."

"Macht nichts, Inspektor, ist bloss 'ne kleine Verwechslung. Wir tragen blanke Standartuniformen. In Blueberry kennt noch jeder jeden, darum sind Namensschilder vollkommen unnötig. Was wollen Sie von Howard?"

"Ich wollte mich mit Sheriff Rusk wegen dem Unfall beim Panopticon unterhalten."

"War 'ne böse Sache, Inspektor. Den Knall hörten wir bis hierher. Wir rückten sogleich aus. Howard und ich fanden aber nur noch brennende Trümmer. Fernsehen und Zeitungsfritzen kamen fünfzehn Minuten später."

"Ereignen sich dort öfters Unfälle? Ich sah die kolossale Fleischberg-Fabrik und ihre zahlreichen Lastwagen.

"Ja, beim Panopticon kracht's öfters. Es hat zu viele Lastwagen fürs Nadelöhr. Scheiss enge Kreuzung. Bagatellunfälle ereignen sich alle paar Wochen. Aber so 'n Unfall hatten wir noch nie. Das Gelände sah aus, als wär 'ne Boeing abgestürzt."

"Benötigt diese Brauerei auch chemische Stoffe? Explosive Stoffe?"

"Es war kein Fleischberg-Truck, der dort hochging. Der Trucker sagte uns, er fahre für Lewiston."

"Der Fahrer hat überlebt?"

"Glücklicherweise, Inspektor. Kurz bevor es richtig krachte, sprang der Trucker aus dem LKW. Andernfalls wäre der Kerl übern Jordan gegangen. Wir verhörten ihn gleich nach dem Unfall. Prellungen, Schürfwunden, Beulen, sonst ging's ihm gut."

"Demzufolge existiert ein Unfallbericht."

"Klar doch, Unfallbericht und Verhörprotokoll. Wir machten beides im selben Abwasch, schon wegen dem FBI. Die bekamen unseren Bericht zuerst. Alle Pressefritzen bekamen genehmigte Auszüge."

"Das erklärt den oberflächlichen Fernsehbericht."

"Howard lässt sich gar nicht gerne interviewen. Ich auch nicht. In Blueberry machen wir keine Shows, dazu hätten diese Pressegeier nach Venturas gehen sollen. Wir sind bodenständige Leute, trotzdem machte die Presse ein Mordstrara aus dem Unfall. Dabei war es sonnenklar die Schuld des FBI-Agenten. Der Kerl fuhr stockbesoffen Schlangenlinien auf der Landstrasse und knallte in den falschen Lastwagen. Hätte er 'nen Viehtransporter gerammt, hätte kein Schwein danach gepfiffen."

"Ja, hmmm... wahrscheinlich nicht", stimmte George zu. "Konnten Sie seinen Alkoholpegel feststellen?"

"Pegel trifft die Sachlage hervorragend, Inspektor. Howard stellte 2,8 Promille fest."

"Sheriff Rusk konnte ihm Blut abnehmen?"

"Vom abgerissenen Bein, Howard nahm ihm Blut vom agerissenen Bein. Das war nach der Explosion das einzige Körperteil, das dazu noch genügend Blut hatte. Mehr sage ich nicht, ich möchte Ihnen Ihren gesegneten Appetit nicht verderben."

"Danke, sehr rücksichtsvoll, Mister Stevenson. Wie erging es der FBI-Agentin, die Mike Toreno begleitet hat? Fanden Sie mehr Körperteile von ihr?"

Roberts blässliches Gesicht zuckte kurz, sein freundlich neugieriger Ausdruck verflog darin; unterdrückter Argwohn prägte nun seine Mimik sowie Stimmlage: "Wer ...? Sie sprechen von der Beifahrerin? Niemand hat ... Woher wissen Sie von ihr?"

George fluchte gedanklich, er schrieb seine falsche Frage dem kribbelnden Armverband zu: "Ich ermittle für Mister Carl Johnson", antwortete er. "Meine Informationen habe ich von Mister Johnson."

"Sie platzen in unser Polizeirevier, stellen Frangen und sind gar nicht dienstlich unterwegs? Sie haben echt 'ne Menge Chuzpe, Inspektor. Von was für einem Revier sind Sie überhaupt?"

"Scotland Yard, London. Revier Southwark, South Bank", wurde Robert entgegnet. Zusätzlich zeigte ihm George einen britischen Dienstausweis.

Nick Warton und Charlotte Angel zückten ebenfalls zwei Dienstausweise.

Belustigt studierte Robert die blau-weiss gestreiften Ausweise. Seine rechte Hand machte eine wegweisende Geste, kurz nachdem er fertig war; die Ausweise wurden zurückgesteckt: "Sie und Ihre Sergeants sind ganz schön weit weg vom Schuss, Inspektor. Hätte ich das nur vorher gewusst ... Ladies and Gentlemen, damit ist unser Gespräch beendet", meinte er abfällig lächelnd. 

"Bekomme ich Ihren Unfallbericht oder müssen wir dafür das FBI kontaktieren?", reagierte George unbeeindruckt.

"Hey, Sie bringen mich in Teufels Küche, ist Ihnen das bewusst? Offiziell hätte ich Ihre Fragen gar nicht beantworten dürfen! Und jetzt noch der Unfallbericht?"

"Ich begreife Ihne heikle Situtation, in der Sie sich befinden. Aber habe ich Sie jemals aufgefordert, meine Fragen zu beantworten?"

"Sie haben mich reingelegt, nutzten meine Gutmütigkeit aus. Sie haben mir Äpfel für Orangen verkauft ... Beschissener Scotland Yard!"

"Ich war nicht ganz aufrichtig zu Ihnen, was ich zugebe. Dennoch arbeiten wir für Polizeibehörden, Sheriff Stevenson. Es gibt daher keinen Grund, uns gegenseitig anzufeinden. Das FBI wäre aber eine andere Kategorie, soviel mir geläufig ist."

Robert murmelte zornig etwas Unverständliches und griff zum Telefonhörer. Er wählte und wartete, bis sich jemand meldete. Ausführlich schilderte er die Ereignisse sowie den Wunsch des englischen Inspektors. Dann lauschte er einverständlich nickend, bei jedem Befehl, dem ihn Howard T. Rusk gab.

Als er fertig telefoniert hatte, sagte Robert: "Ich mach 'ne Fotokopie. Sheriff Rusk lässt ausrichten, dass wir nichts zu verbergen haben. Weitere Fragen soll das FBI beantworten. Wir lassen und nicht nochmals verarschen! Wegen belanglosen Kleinigkeiten kommt Howard nicht nach Feierabend ins Büro."

"Danke, wir sind Ihnen sehr verbunden."

Kein Wort erwiderte der Hilfssheriff, stand auf, und nahm die Akte aus seinem Schreibtisch. Robert lief zum Thoshiba-Kopierer, wo er sechs Seiten kopierte. Danach überreichte er die Kopien gemeinsam mit der Warnung: "Sie sollten im Red County zukünftig Polizeistationen meiden, Inspektor. Ausser natürlich, Sie und Ihre Sergeants mögen gut gesiebte Luft."

"Danke, wir werden Ihren Vorschlag berücksichtigen ...", meinte George.


ENDE VON ABSCHNITT 8

Don's Boot
Ocean Road

Laszlo's Story - Kapitel 7 - Afterparty - Abschnitt 5

Wieder fuhr Laszlo den knallroten Lowrider, den ihm Rio auslieh. Fast hätte er vor wenigen Minuten seinen nachmittäglichen Termin vergessen. - Bill Miller hatte ihm diesen Termin verschafft, auf dessen unglaublicher Jacht. Eigentlich plante er, dass der Termin seine Auszeit beenden sollte, und nicht das unbefriedigende Gespräch im Malibu Club. Nur Rio erzählte er vom Termin, der Einladung in die Inter Global Films.

Die südlichen Film- und Produktionsstudios von Prawn Island kannte er bereits, auch wenn er zehn Jahre lang nicht mehr da war, weil V-Rock einige Interviews dort produzierte. Bill hatte ein neues Showformat erwähnt, eine brandneue Unterhaltungsshow, eine Art Talentshow für blutige Anfänger, deren amüsante Darbietungen durch prominente Künstler bewertet werden sollten. Man mache erst Probedruchläufe, teste Zuschauerreaktionen. Probeaufnahmen müssten ebenfalls der Moderator oder die Moderatorin machen. Er könne einen Probedurchlauf anschauen, könne Bill sagen, was er davon hielt.

Nach Wochen fortwährender Enttäuschungen, schien er doch noch etwas Glück zu haben. Allerdings war er unsicher, ob ihm Miller den Termin wegen der früheren Kündigung bei V-Rock gab - sprach da sein schlechtes Gewissen? Brians und deine Entlassung, das waren die schlechtesten Entscheidungen, die ich jemals getroffen habe. Oder zeigten Rios Schilderungen Wirkung, sowie sein Wunsch, ins Fernsehn zu kommen? Ach ja, Housing Project würde übrigens ebenfalls ...

Lästiges Hupen von hinten, durchdringend laut, schreckte ihn vom altertümlichen Armaturenbrett hoch, fixierte seinen Blick auf der grünen Ampel. "Hey, du farbenblinder Trottel!", rief jemand. Er winkte entschuldigend mit seiner linken Hand, trat das Gaspedal und fuhr weiter, dann lächelten er und Rio gemeinsam, schüttelten auf den Vordersitzen ihre Köpfe.

Als Laszlo ungefähr die Hälfte des Wegs geschafft hatte, vom Malibu Club bis zu den Inter Global Films, wuchs seine Zuversicht, dass ihm Bill Miller diesen Termin nicht wegen einem schlechten Gewissen oder gar aus Mitleid gegeben hatte. Er war sich irgendwie sicher, dass ihn Miller als Moderator wollte. - Ein frisches Gesicht, Bill Miller freundschaftlich verbunden, das erwiesenermassen gut beim Publikum ankam, das darum Risiken minimierte, welche der Medienmogul noch nie gerne eingegangen war, für seine brandneue, witzige Unterhaltungsshow. Dieses Vorgehen und diese Gründe entsprachen eher Millers Geschäftsphilosophie. Vielleicht lösten auch die ihm vertrauten Strassen und Häuserzeilen (des nördlichen Stadtbezirks) positivere Gedanken aus.

Laszlo blieb der Hauptstrasse treu, obwohl die Ocean Main Street einen weiten Bogen machte, dem Sandstreifen der langgezogenen Küste entlang, vorbei an riesigen Hotelbauten, Shoppingcentern und Parkplätzen. Busladungen von Touristen wurden täglich hierher gekarrt und in den Hotels untergebracht. Das ging den ganzen Tag so, weswegen kein Fahrer besonders schnell fuhr. Natürlich wären einigen Nebenstrassen kürzer gewesen, welche durch dichte Wohnquartiere führten, aber sie waren verwinkelt wie ein Labyrinth, das keine Fehler verzieh und gute Sprachkenntnisse voraussetzte. Haitianer, Kubaner, Latinos, und jeder sprach stolz sein Kauderwelsch. Sicher hatte sich das Sprachenwirrwarr rund um die Wasserkanäle noch vergrössert, seit er Vice City verliess, und Don Sean sowie Carl Johnson (auf den Rücksitzen) waren keine Dolmetscher. Ferner lief der weite Bogen der Ocean Main Street genau über der Autobahnbrücke nach Prawn Island aus, sodass er nie abbiegen musste. Es war der höchste Punkt von Vice Point und bis dahin stieg die Hauptstrasse stetig aber kaum merklich an. Der flache Blade hatte überschwänglich viele Perdestärken, dicke Weisswandreifen und einen restaurierten Motor, Laszlo sorgte sich nicht. 

Touristen oder normal Sterblichen war der Zutritt zu den Inter Global Films verwehrt. Es wurden keine Studiotouren durchgeführt, so wie es das berühmte Vinewood tat. Auch Reporter brauchten einen Studiopass, mussten Kameras beim Pförtner abgeben; die Film- und Fernsehstudios hatten ein striktes Paparazziverbot ausgehandelt, das mit Anzeigen und Wachmännern rigoros durchgesetzt wurde. Laszlo hoffte deswegen, Rio beeindrucken zu können, wenn er sie persönlich durch die Studios führte, ihr zu den jeweiligen (teils anrüchigen) Produktionen seine fachmännischen Kommentare und Medienbeschreibungen abgab. Eventuell könnte er noch etwas mehr Glück haben. - Magische Nächte unter Vice Citys Sternenhimmel, wer weiss? Einen Besucherpass hatte ihm Bill Miller zurücklegen lassen und gegen ein paar zusätzliche Freunde des Medienmoguls würde der Pförtner bestimmt nichts sagen. Fast alle Fernsehstationen der Stadt produzierten Sendungen auf dem Gelände der Inter Global, das regelrechte Burgmauern umgaben und welches bloss von der Autobahnbrücke einsehbar war. Er vermutete, dass alte Kollegen von V-Rock dort einen Job gefunden hatten und konnte es kaum erwarten, vor dem hohen Rundtor des Studions anzuhalten. Gelegentlich waren Postkarten gekommen, Telefonanrufe und E-Mails; man versprch sich, in Kontakt zu bleiben, doch versiegte derselbe irgendwann.

Rechts kamen farbenfrohe Blumenbeete in rechteckigen Betonkästen, welche vor den obligatorischen Palmen und Büschen einer Hotelzufahrt eingepflanzt waren, als er über Bill Millers Showformat nachdachte. Bill deutete an, seine lustige Show diversen Sendern anzubieten, darunter auch Westküstensender; er wolle nicht selbst Produzent werden. Diese Andeutungen steigerten seine Zuversicht noch mehr, den Moderatorenjob zu ergattern. Johnson würde ihm nach dem Studiobesuch die Vorgeschichte des illegalen Schwarzgelds erzählen, ausführlich, er könne sich auf den Verkehr und die Studios konzentrieren. Und es war eine gute Sache, sich auf den Verkehr zu konzentrieren, auf das satte Brummen des Fünfliter-Big-Blocks.

Mitten bei der Hotelausfahrt, des populären Castle Hill, übertönte jedoch der rasende Donner eines anderen Motors den Blade, Sekundenbruchteile bevor es metallisch krachte. Eine Schockwelle durchfuhr das tonnenschwere Cabriolet und seine Insassen. Hinten hatte ein Auto eingeschlagen, von der steilen Ausfahrt herabbrausend, ohne Bremsung oder warnende Hupe. Der massige Stafford wog ungefähr gleich viel wie der Blade, verursachte eine tiefe, gezackte Beule, und schob das Schönwetterauto quietschend von der Fahrspur. Rios Auto stand quer, während erste Fussgänger kreischten und erstaunt hinguckten. Zum Kreischen war den überraschten Insassen der Cabriolets keine Zeit geblieben, sie wurden kräftig durchgeschüttelt, hielten sich panisch irgendwo fest.

Aber niemand stieg aus dem kobaltblauen Viertürer, dessen abgedunkelte Scheiben blickdicht waren, sprach entschuldigende Worte, denn anstatt irgendeiner fürsorglichen Handlung preschte der Stafford mehrere Wagenlängen zurück, nur um erneut loszurasen und diesmal krachend die Hintertüre einzudrücken. Der heftige Aufprall schleuderte Don Sean vom Rücksitz vor die Füsse von Carl Johnson. Rio schrie lauthals. Laszlo schwenkte seinen Kopf hin und her, als suchte er einen Punkt, der ihm eine Erklärung für das groteske Geschehen geben würde. Johnson presste der Aufprall gegen die Ecke zwischen Rücksitz und lederner Türverkleidung. Instinktiv griff er in seine Bandits-Sportjacke und kramte seine chromfarbene Pistole hervor. DESERT EAGLE 5.0 war darauf eingraviert. Er zögerte nicht, zielte und schoss. Die Kugel, eine Blow Steel-Black, und laut den Fabrikleuten aus Minneapolis jede Schutzweste durchschlagend, spickte (kurz blitzend) von der Motorhaube ab und blieb im Stamm einer Palme stecken. Fussgänger rannten fluchtartig los, während der Stafford abermals zurücksetzte.

Ein weiterer Treffer würde Rios Auto fahruntüchtig machen, realisierte Laszlo, er hieb seinen Fuss aufs Gaspedal, riss das Lenkrad zur rechten Fahrspur. - Knirschend und scheppernd verabschiedete sich der Kotflügel, dem er im zerbrochenen Rückspiegel nachsah. Der Big-Block heulte, weil der Motor so hohe Touren nicht gewohnt war. Offensichtlich musste der Stafford gepanzert sein, welchen Politiker öfter als distinguiertes Regierungsfahrzeug benutzten, und der ungeachtet seines Gewichts sowie dem Warnschuss schnell näher kam. Jemand ist verflucht sauer, dachte er, dann hörte er Schüsse, die nicht von Johnson stammten. Sein Herz schlug bis zum Hals, hämmerte wild, er glaubte Einschläge zu spüren, welche den breiten Kofferraum trafen, der einem kleinen Schlauchboot genug Platz geboten hätte, obwohl das schon bei einem normal grossen Auto unmöglich gewesen wäre. Entlang der Ocean Main Street raste das flache Autoschiff, etliche Fahrzeuge überholend, seine verkrampften Hände schwitzten, umklammerten das hölzerne Lenkrad wie eiserne Zangen. Manchmal schlug eine seiner Zangen hart auf die Hupe. Und auch die röhrende Hupe hörte sich so an wie ein mächtiges Schiffshorn. Autos, Lastwagen und Busse bremsten vor ihm, was das Überholen noch schwieriger machte, noch komplizierter, noch gefährlicher. Er fuhr schnell, viel zu schnell für seinen Geschmack, der Sicherheitsgurt baumelte an der Schlaufe des weissen Ledersitzes, denn wegen den sonst gemächlichen Tempi der Flanierstrasse hatte sich kein Insasse angeschnallt. Dauernd quietschten die Reifen, Überholmanöver nach Überholmanöver, eines waghalsiger als das andere, er rechnete längst mit einem Unfall und hätte einfach gestoppt, wenn das TAKTAKTAK des Verfolgerwagens nicht gewesen wäre. Es musste eine verdammte Maschinenpistole sein, welche vom hinteren Wagen aus ratterte.

Johnson sah Laszlos panisches Gesicht im Rückspiegel, dessen Fahrkünste ihn erstaunten, die Mimik war verzerrt und Schweisstropfen rannen darüber. Wo der Blade durchraste, folgte ihm der hartnäckige Stafford, für Carl ganz klar eine Gangsterkarosse, schwer gepanzert und von Salvatores Stellvertreter geschickt; kreischende Menschenmassen und ein orchestrales Hupkonzert. Die knatternde UZI bestätigte seine Vermutungen. Er kauerte auf dem Rücksitz, liess seinen Kopf so weit unten wie möglich, guckte nur während Schusspausen hoch. Ebenso erstaunte ihn, dass kein Streifenwagen oder Motorrad der Bullen den Autos nachjagte. Scheinbar machten die Cops Siesta, verdauten ihr reichliches Mittagessen. Er und Don, der ihm das Kauern inzwischen nebenan nachmachte, merkten, dass der UZI-Schütze absichtlich über ihren Wagen und ihre Häupter schoss, denn viele Schüsse trafen die Hotelfassaden und hinterliessen Einschusslöcher.

Fortsetzung folgt ...